Wie auf der Seite „über mich“ erwähnt, gehöre ich zu der Altersgruppe, welche mit der analog Fotografie die ersten Gehversuche gemacht haben. Damals natürlich im Kleinbildformat. Mittelformat war irgendwie die Königsklasse. Hasselblad und Rolleiflex waren das Maß der Dinge und kosteten dementsprechend auch eine Menge D-Mark’s. Heute kosten technisch und optisch gut erhaltene Modelle weit mehr als manch eine Einsteiger DSLR. Ich finde, die alten analog Kameras haben den gleichen Charme wie Plattenspieler. Und wer noch Platten hat, die beim Abspielen ein bisschen knacken, darf auch Fotos machen die ein bisschen Korn haben. Und nein, das wird jetzt kein weiters „How to“ für analog Fotografie. Davon gibts im Netz genug gute. Das ist eher mein persönlicher Erfahrungsbericht.
let’s go analog
Bestandsaufnahme. Ich war mir sicher, irgendwo noch alte Kameras zu haben. Aber wo? Keller, Dachboden oder doch schon lange entsorgt? Bestimmt irgendwo in einem Karton bei den gefühlten 10.000 Dias. Die wollte ich auch schon lange digitalisiert haben. Mache ich dann mal, wie immer, im Winter. Wer sucht – der findet. Da waren doch wirklich meine alte Voigtländer Vitoret DR und noch eine alte Agfa. Hatte ich mal eine Agfa? Nein – keine Ahnung, woher ich die habe. Lustig, die mal wieder in der Hand zu haben. Wie nicht anders zu erwarten, funktionierte der Selen-Belichtungsmesser der Voigtländer nicht mehr. Der Auslöser machte jedoch einen fitten Eindruck. Ob ich mir mal eine Film hole? Nein, Kleinbild ist Old-School. Wenn, dann will ich Mittelformat!
Mittelformat muss her
Wenn man so in die Materie des Mittelformats einsteigt, wird einem schnell klar, dass das Mittelformat eine Vielfalt von Bildformaten umfasst. Zu nennen wären die gängigen Formate 6×4.5, 6×6, 6×7 und 6×9. Vereinzelt findet man auch das Format 6×8, 6×12 und 6×17 an, welche in Panoramakameras eingesetzt werden. Die Zahlen stehen für die Größe des Negativs in Zentimeter. Zum Vergleich, dass klassische Kleinbildformat misst 24×36 Millimeter, welches auch der digitalen Sensorgröße von Vollformatkameras entspricht.
Verwendet wird der Rollfilm 120. Hierbei handelt es sich um einen auf einer Rolle aufgewickelten Negativstreifen. Dieser ist am Anfang und am Ende auf einen Papierträger geklebt. Je nach Aufnahmeformat der verwendeten Kamera, ergibt sich die zur Verfügung stehende Anzahl an möglichen Aufnahmen. 16 bei 6×4.5, 12 bei 6×6 und 8 im Format 6×9. Bei den klassischen Kameras, wie den zweiäugigen TLR Modellen (twin lens reflected) wird der Film direkt in die Kamera eingelegt. Die späteren SLR Modelle besitzen hingegen schon eine wechselbare Filmkassette, in die der Film eingelegt wird.
Eine passende Kamera finden
Eine der ersten Anlaufstellen für gebrauchte Kameras ist natürlich die Bucht. Hier kann man sich relativ gut über Preise und Modelle informieren. Sofern man Ahnung davon hat, was man sucht. Rolleiflex, Rolleicord, Bronica, Mamiya (um nur einige zu nennen) und natürlich Hasselblad. Das Alter der Kameras hat eine ebenso große Spanne, wie die aufgerufenen Preise. Schnell stellte ich fest, mal eben eine alte Kamera kaufen ist nicht. Erst musste ich mir folgende Fragen beantworten: Was bin ich überhaupt bereit dafür auszugeben und welches Format möchte ich? Richtig retro oder doch schon Technik der 80er Jahre? Ich entschied mich für „retro“. Irgendwas zweiäugiges mit einem Lichtschachtsucher. Damit war auch die Frage nach dem Format geklärt, denn die meisten TLR Kameras findet man für das 6×6 Filmformat. Das ist schön quadratisch und hat was von Instagram.
Damit war das Feld der Kameras schon mal sehr eingeschränkt. Ins Auge fallen einem sofort die Rolleiflex – als Maß der Dinge. Da die Kamera nicht zu alt sein sollte, suchte ich nach einem Modell, welches nach 1950 und 1960 gebaut wurde. Eine sehr gute Anlaufstelle für die verschiedenen Typen ist die Seite rolleiclub.com. Hier findet man eine tolle Auflistung über die verschiedenen Modelle, deren Baujahr, Seriennummern und produzierten Stückzahlen. Was jedoch die Preise angeht, hilft nur den Markt zu beobachten und zu vergleichen. Welches Kameramodell wechselt in welchem – subjektiven – optischen und technischen Zustand für welchen Preis den Besitzer.
Ist der optische Zustand anhand der Fotos noch relativ gut ersichtlich, ist es bei dem technischen Zustand schon schwieriger. Sind die Linsen frei von Fungus? Fungus ist ein Glaspilz, welcher sich bei einer zu feuchten und dunklen Lagerung, wie z.B. im Keller, bilden kann. Auch wenn er Glaspilz heißt, ernährt er sich nicht von diesem, sondern von den im Objektiv verbauten Materialien wie Klebstoffe und Dichtungen. Lediglich seine Fasern breiten sich über das Glas aus und machen ihn so unübersehbar.
Mein Tipp: Finger weg, von mit Fungus befallenen Optiken bzw. Kameras. Selbst wenn man sich zutraut, die Objektive zu zerlegen und zu reinigen, wird man, wie das bei Pilzen meistens so ist, ihn nicht wirklich los.
Schwieriger wird es beim Verschluss. In den früheren Jahren wurden noch keine harzfreien Fette eingesetzt. So kommt es vor, dass bei Kameras die zu lange in der Vitrine gestanden haben, der Verschluss nicht mehr richtig funktioniert. Während die kurzen Verschlusszeiten von 1/60 bis 1/300 sec. durchaus noch auslösen, so ist es bei den längeren Zeiten ab 1/30 bis hin zur Sekunde ein Glücksspiel. Aufgrund des verharzten Öls in der Feinmechanik laufen hier die Zeiten entweder zu lang oder der Verschluss bleibt offen und schließt von alleine nicht mehr zu. Es kommt auch vor, dass Kameras so verharzt sind, dass die ganze Mechanik ihren Dienst einstellt und auch der Zentralverschluss verklebt ist. Und jetzt wird’s gemein.
Viele der in der Bucht angebotenen Kameras werden entweder als Dachbodenfund oder aus einem Nachlass angeboten. Hier gibt es zwei Arten von Anbietern. Die einen die keine Ahnung haben und die anderen, die genau wissen was sie tun. So ist ein beliebter Trick der wissenden, eine nicht mehr funktionierende Kamera einfach bei 50°C so lange in den Backofen zu stellen, bis das Kamerafett unter dem Wärmeeinfluss wieder ein wenig geschmeidig wird. Dann löst die Kamera in den kurzen Zeiten wieder aus, nur die langen Zeiten laufen unrund. Schon kann die Kamera mit dem Text: „Die langen Zeiten hängen etwas“ anbieten. Klingt besser als „defekt“.
Um es ganz klar zu stellen. Dies sind Einzelfälle und nicht die Regel. Schwarze Schafe gibt es leider überall. Ich selbst habe eine Rolleiflex erstanden, die genau das Problem hatte. Direkt nach dem Kauf war alles in Ordnung. Ein paar Tage später fingen erst die langen Zeiten an zu hängen und dann stellte sie ihren Dienst komplett ein. Zuerst dachte ich: naja, ist alt. Kann ja kaputt gehen. Erst als ich intensiv nach Reparaturmöglichkeiten gegoogelt hatte, stieß ich auf die Geschichte mit dem Backofen. Nun wollte ich es genau wissen und habe meine Rolleiflex wirklich bei 50°C in den Ofen gestellt. 10 Minuten gewartet und … sie löst wieder aus. Hammer!
Der Nachteil dieser Prozedur ist jedoch, dass bei jedem Ofengang die Harzkristalle fester werden und die Feinmechanik irgendwann wirklich nicht mehr will. Nun ist die Kamera wirklich defekt und kann nur noch zerlegt und gereinigt werden. Mal sehen, ob ich mir das antue. Update: Ich habe es mir angetan. Meinen Bericht findet ihr hier: Rolleiflex 3.5E Reparatur eines verklebten Verschlusses – sticky-shutter
Kommen wir aber jetzt zu meiner Auserwählten. Ich hatte das Glück, eine gut aussehende „Rollop Automatik 2.8“ aus dem Jahr 1957, mit original Anleitung, günstig zu ergattern. Der Kauf erfolgte über einen Händler, der sogar mit einem längeren Rückgaberecht einverstanden war – wir denken kurz an den Ofen – um die Kamera zu testen. Was nämlich auch nicht unwichtig ist, die Kamera sollte lichtdicht sein. Und das weiß man erst, wenn der erste Film durch ist. Wobei die TRL’s da eigentlich keine Probleme machen. Zeitgleich kaufte ich mir auch gleich einen Ilford FP4 Plus 120. Jetzt konnte es losgehen!
Das erste analog Foto
Packt man eigentlich eine Fototasche, wenn man mit so einer alten Zweiäugigen auf Fototour geht? Natürlich. Digitalkamera in die Tasche und da wo sonst das 70-200mm seinen Platz hat, passte die TLR super rein. Angekommen in der Hamburger Hafencity war das erste Motiv schnell gefunden. Die Schiffsschraube vor dem „Maritimen Museum“. Zum Glück gerade keine Touristen. So holte ich die Kamera aus der Tasche, klappte den Schachtsucher auf und – Moment – was ist eigentlich mit der Belichtung? Man ist es ja heute gewohnt, dass man sich darüber nicht wirklich Gedanken machen muss. Meist stelle ich die ISO auf 100, wähle eine passende Blende für die gewünschte Schärfentiefe und die Verschlusszeit überlasse ich der Automatik. Oder eben anders. Je nach Motivlage und gewünschter Bildaussage. Aber was nu?
Ich war natürlich vorbereitet und hatte drei Möglichkeiten. Mit der digitalen Kamera die Belichtung messen, mit einer iPhone App oder mal ganz locker, nach der „Sunny 16“ Regel, die Lichtverhältnisse zu beurteilen. Über „Sunny 16“ gibts so viel im Netz (z.B. Wikipedia oder auch gut erklärt, hier), dass ich jetzt nicht den Erklärbär mache. Sicherheitshalber habe ich meine Belichtungseinschätzung dann mal mit dem iPhone überprüft. Dafür nutze ich die App „Pocket Light Meter„, die einfach und for free ist. Was soll ich sagen, ich lag mit meiner Schätzung nur eine Blendenstufe daneben. Auf einen weitern Vergleich mit der Digitalen habe ich verzichtet. Man kann auch übertreiben, zumal ein analog Film einen höheren Dynamikumfang hat. Das Wetter war heiter bis Wolkig und zum Zeitpunkt der Aufnahme schien die Sonne. So entschied ich mich für Blende 11 und einer 1/125 sec. Es ist schon sehr ungewohnt, durch einen Lichtschachtsucher zu schauen. Das Bild wirkt irgendwie plastisch und ist zudem noch spiegelverkehrt, was einem das einfangen des Motivs nicht gerade leicht macht. Jetzt noch fokussieren. Dabei hilft der, in der Mattscheibe eingelassene Schnittbildindikator. KLICK. Das Bild ist nun im wahrsten Sinne des Wortes „im Kasten“. Schon ungewöhnlich, sich das Foto nicht auf einem Display sofort ansehen zu können. Ist es überhaupt was geworden? Passte die Belichtung? Mache ich besser noch ein Foto mit veränderten Belichtungszeiten? Ich beschoss: Alles ist gut so und zog weiter zum nächsten Motiv.
Die Qual der Motivwahl
Anders als beim digitalen Fotografieren, stellt man schnell fest, dass nicht jedes Motiv ein Foto wert ist. Wenn einem nur 12 Aufnahmen zur Verfügung stehen, die man sich nicht sofort anschauen und bei nicht gefallen löschen kann, überlegt man sich drei Mal, ob man auf den Auslöser drückt. Digitale Fotos sind schnell gemacht, kosten nix und man kann sie in aller Ruhe zu Hause betrachten und aussortieren. So ist es nicht verwunderlich, dass man von einer Fototour hunderte von Fotos mitbringt. Analog ist das schon anders. Der Film will erst entwickelt werden bevor man die Aufnahmen beurteilen kann. Das wird einem schnell bewusst und so macht man sich über jedes vermeintliche Motiv mehr gedankten. Ich hatte wirklich Schwierigkeiten, die 12 Aufnahmen mal eben so zu Belichten. Man hat das Gefühl, dass jede Aufnahme etwas besonderes sein muss. So ging es zumindest mir auf meinem ersten analog Rundgang. Man entwickelt eine andere Vorstellung vom zu erwartenden Ergebnis.
Das Entwickeln
Die Entwicklung der Negative habe ich erst einmal den Profis überlassen. Wie sollte ich sonst beurteilen, ob meine Kamera und ich alles richtig gemacht haben. So habe ich den belichteten Film bei Open Eyes Photoservice in Hamburg an einem Samstag zum Entwickeln abgegeben. Die Negative hatte ich dann am Mittwoch schon in der Post und die Ergebnisse können sich sogar sehen lassen, wie ich finde. Guter Service hat natürlich seinen Preis und so überlege ich, die Negative in Zukunft selbst zu entwickeln. Ich werde dann natürlich auf über diese Erfahrungen berichten. 😉